Abbild Telefon

Arbeit mit Notizblock und Kupferstrippentelefon – ganz so schlimm ist es in Deutschland zwar nicht, aber vor allem in Politikerköpfen scheint diese Ära noch viel zu präsent. (Quelle: fotolia.com © totojang1977)

Was dieser Tage über die bundesdeutsche Digitalisierung geschrieben wird, klingt selbst für Unbedarfte ziemlich düster. „Seinen Ingenieursvorsprung – auf dem die Exportweltmeisterschaft und damit der Wohlstand beruht – kann sich Deutschland aber ans Faxgerät schmieren, wenn der nächste Technologiesprung so sehr misslingt wie er politisch gerade vorbereitet wird“, rumpelte Internet-Guru Sascha Lobo jüngst in seiner Spiegel-Online-Kolumne im Bezug auf die 5G-Frequenzversteigerung. „Es bedarf dringend einer Gesamtstrategie, um die digitale Transformation zu gestalten – so wie es beispielsweise in Estland, Schweden oder Österreich erkennbar ist“, beschrieb es etwas vornehmer Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann-Stiftung.
Auch McKinsey & Company, die weltweit operierende und renommierte Unternehmensberatung, formulierte es folgendermaßen: „Germany needs to do more to harness the potential of new digital and automation technologies to make the most of its strong competitive position, as the world moves further into the digital age.“ Und weiter: „Our digitization index shows that Germany currently captures just 10 % of the global “digital potential,” which we define as the upper bounds of digitization in the most digitized economy, compared with 18 % in the United States.“

Summa summarum scheint die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt also in höchster Gefahr zu sein, den Anschluss völlig zu verpassen.
Doch stellt sich nicht nur für unsere Branche die Frage, was tatsächlich falsch gemacht wurde und was kurz- und mittelfristige Lösungen wären.

Der Status Quo oder: Das wurde falsch gemacht
Speziell wenn man sich unsere Branchenmeldungen anschaut, könnte man oberflächlich den Eindruck gewinnen, dass viele der Kritiken etwas überzogen seien, weil sich dort auch für den Standort Deutschland viele Erfolgsmeldungen finden. Tatsächlich jedoch hat Deutschland in vielerlei Hinsicht echte digitale Fehler begangen.

  • 1. Quasi-Monopole
    1998, also vor nunmehr 21 Jahren, trat in Deutschland das Telekommunikationsgesetz in Kraft. Unter anderem hatte das zur Folge, dass das bisher seit der Privatisierung bestehende Monopol der Telekom für den Telefondienst beendet wurde. Ferner musste das Unternehmen auch seine Breitbandkabelnetze verkaufen.
    So weit, so gut, es regiert marktwirtschaftliche Freiheit, eigentlich ein Patentrezept, damit es voran geht. Das Problem daran war und ist jedoch, dass in den politischen Köpfen die Telekom erste Wahl zu sein scheint. In Bayern beispielsweise gewinnt die Telekom rund 80 % aller kommunalen Ausschreibungen für den Breitbandausbau. Gleichsam scheint es auch so, dass das Unternehmen durch Gesetze eine gewisse Bevorzugung genießt: Stichwort Überbauung. Dabei wird kritisiert, dass der Anbieter häufig in Arealen, in denen staatliche Straßenbauarbeiten stattfinden, diese Tiefbauarbeiten nutzt, um dort seine Leitungen zu installieren. Etwas, das auch durch die jüngsten Novellierungen nicht zur Zufriedenheit der Kritiker gelöst wurde.
  • 2. Sackgassen-Förderung
    Es gibt in der technischen Welt einen Konsens: Die Zukunft der leitungsgebundenen Datenübertragung beruht auf einer einzigen Technik als Schlüsselelement, Glasfaser.
    Dies liegt an mehreren Eigenheiten des Glasfasersignals:
    1. Es tritt, entgegen zu herkömmlichen Kupferleitungen, praktisch kein messbarer Geschwindigkeitsverlust des Signals auf, vollkommen ungeachtet, wie groß die Übertragungsdistanz ist.
    2. Durch die Möglichkeit, das Farbspektrum des Lichts, in feinsten Nuancen abgestuft, als weitere Übertragungsebene zu nutzen, hat Glasfaser enormes Potenzial für zukünftigen Ausbau, ohne die Leitungen ändern zu müssen.
    3. Es treten keinerlei elektromagnetische Wechselwirkungen auf, was eine ungleich höhere Störsicherheit nach sich zieht.
    Mittlerweile können Glasfaserleitungen unter Laborbedingungen fast 74 Tbit/s übertragen; bei Kupferkabel wird derzeit 1 Tbit als großer Erfolg gefeiert. Doch das Problem: Die Bundesnetzagentur hat der Telekom erlaubt, Vectoring zu betreiben und so Kupferleitungen „künstlich“ schneller zu machen. Für Kritiker ist das die von oben abgesegnete Erlaubnis, eine eigentlich veraltete Technik an die Herz-Lungen-Maschine zu hängen, wo es viel mehr nötig sei, konsequenten Glasfaserausbau zu betreiben. Hinzu kommt, dass die Bundesnetzagentur erst jüngst beschloss, dass in solchen Fällen bestehende Glasfaseranschlüsse zugunsten der Vecotring-Leitungen gedrosselt, sogar abgeschaltet werden dürfen, was die unternehmerische Bereitschaft zu Glasfaserausbau weiter hemmen dürfte.
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